30
Sep
2011

Mit DIESEN Schuhen gehst du mir nicht ins Haus!

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Ein 3D-Fußabstreifer, gewissermaßen. Man ist auf nasses Wetter und gatschige Wege eingestellt.
Dazu passt, dass ich im Reiseführer gelesen habe, dass man sich in Estland beim Betreten einer fremden Wohnung jedenfalls die Schuhe ausziehen soll - und es stimmt! Habe ich selbst beobachtet.

Nettes Hotel, Frau Botschafter!

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Mein Zimmer hier in Kuresaare. Die österreichische Botschaft hat sich bei der Unterbringung nicht lumpen lassen. Kommt wahrscheinlich immer noch billiger, als dass wer von ihnen selbst runter fährt.
Ich überlege mir, ob ich nicht eine Karriere als Vortragender zu irgend einem ganz wichtigen Thema starten könnte. Muss aber feststellen, dass ich zu keinem ganz wichtigem Thema kompetent genug bin, dass mir jemand ein Hotelzimmer dafür zahlen würde. Und wahrscheinlich verliert das auch irgendwann seinen Reiz - wenigstens jetzt kann ich mich noch über coole Hotelzimmer, die ich mir sonst nie leisten würde, freuen.

Salme

Heute hab ich den Vortrag in Salme gehalten. Nicht aufregend. Ich sollte ihn auf Englisch halten, vor ca. 40 Schülern, hauptsächlich 8. und 9. Klasse (was bei uns 5. und 6. Klasse wäre), aber auch ein paar kleinere. Von den vierzig Schülern werden drei demnächst im Rahmen eines Comeniusprojektes nach Judenburg fahren.
Ich will eigentlich nicht über den Vortrag erzählen, das ist nicht so spannend. Stattdessen gibt es eine kleine Rückblende auf Mittwoch, als wir nach Tartu fuhren. Da hatte ich nämlich Gelegenheit, mit Ave über verschiedene Themen zu plaudern, und das war ganz interessant.
Auf meine Bemerkung, dass ich in Estland stets sehr herzlich empfangen worden sei, meinte sie, dass es stimme, die Esten seien sehr herzlich - SOBALD eine Art von Beziehung hergestellt sei. Wie in meinem Fall, ich bin der Gastlehrer aus Österreich. Ansonsten "haben es die Esten irgendwie in sich drinnen", gegenüber Fremden eine gewisse Zurückhaltung an den Tag zu legen, wahrscheinlich auch historisch bedingt, immerhin sind über Jahrhunderte Fremde stets gekommen um die Esten zu beherrschen. Integration ist sowieso kein Thema in Estland, eher Emmigration. Tatsächlich gibt es auch am Pärnu Ülejõe Gümnaasium einige Schüler, deren Eltern unter der Woche in Finnland oder Schweden arbeiten. Die Kinder leben dann bei ihren Großeltern... oder alleine. Wenn dies den Lehrern auffällt, wird der Sozialarbeiter verständigt. Realität im estnischen Schulalltag.
Ave meinte auch, dass der Respekt der Schüler vor den Lehrern und die Disziplin von Jahr zu Jahr abnimmt. Sie selbst hat noch die Schule in der Sowjetära erlebt, und da hatte sie sowas von einem Heidenrespekt vor den Lehrern. Den sieht sie heute bei den Schülern nicht mehr (dieser Eindruck würde übrigens von Marina, meiner Kontaktperson der Schule in Salme, bestätigt). Ave und ich kamen zu der Vermutung, dass dieses Mehr an Disziplin, dass die estnischen Schüler im Vergleich zu Österreich oder anderen Ländern aufweisen, noch der Nachklang der autoritären Schule der Sowjetunion ist. In ein paar Jahren würde sich das demnach dem europäischen Durchschnitt angenähert haben.
Nur um das klar zu machen: Weder Ave noch ich weinen dem autoritären Unterrichtsstil eine einzige Träne nach. Der Schluss, der aber naheliegt, ist folgender: Der auffallendste Unterschied zwischen der Schule in Estland und Österreich ist die hohe Disziplin der Schüler. Ich vermute, dass darin die Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse bei PISA und Co. liegt. Wenn das Verhalten der Schüler sich nun an den europäischen Mainstream angleicht, müsste sich auch das Leistungsniveau der estnischen Schüler angleichen. Die Prognose würde lauten: Bei der nächsten PISA-Studie liegt Estland nicht mehr so weit vorne.
Jetzt kommen die Abers: Erstens gibt es noch einen zweiten wichtigen Unterschied, und das sind die sozialpädagogischen Maßnahmen, die es im estnischen Schulsystem gibt (siehe Eintrag vom x.9.). Vielleicht können diese bewirken, dass das Verhalten und die Arbeitseinstellung der Schüler auf einem höheren Niveau bleibt.
Zweitens ist der Zusammenhang zwischen Disziplin und Arbeitshaltung nur eine Vermutung. Marina meinte heute, dass die Esten selbst sehr überrascht seien über das gute Abschneiden Estlands beim PISA-Test. Die Lehrer sehen die Leistungen ihrer Schüler nicht so außerordentlich. Die Anforderungen, die aber vom Lehrplan her gestellt würden, seien sehr hoch. Der Lehrplan ist stark auf Inhalte, und zwar auf VIELE Inhalte, konzentriert. Die SchülerInnen müssen also viel lernen, und die Lehrer machen dementsprechend Druck. Im Vergleich mit finnischen Schülern lernen die Esten beispielsweise wesentlich mehr - Finnland liegt im PISA-Ranking vor Estland, aber Estland vor dem Rest von Europa.
Man kann auch noch die Aussagekraft von PISA infragestellen, was schon viele gemacht haben, und ich bin dem auch nicht ganz verschlossen. PISA liefert, wie alle Studien dieser Art, Hinweise, aber mehr auch nicht. Interessant ist es jedenfalls, in Estland genau hinzuschauen und zu sehen, was anders gemacht wird. Manches kann man ja vielleicht übernehmen.
Das wird die Herausforderung, wenn ich zurück nach Österreich komme. Überlegen, wie ich von dem hier Gelernten Nutzen für meinen Unterricht oder meine Schule ziehen kann. Man könnte doch...?
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