Tallinn
Gestern habe ich mich noch über einen komischen Reisebericht im Internet geärgert, in dem Tallinn als langweilig weil an ein Puppenkästchen erinnernd abgetan wurde. Heute finde ich immer noch, dass dieser Reisebericht Schwachsinn ist, aber ich verstehe zumindest, was der Autor meinte. Es ist nämlich so, dass in Europa ziemlich viele Städte eine Altstadt haben, die irgendwann aufwändig restauriert wurde. Wo dann keiner mehr ernsthaft wohnen kann, wo es dann nur noch Kaffees und Restaurants und Hotels und Souvenirläden gibt. Da kann doch Tallinn nichts dafür, dass es eben auch so eine Stadt ist!
Im Ernst: Für eine Hauptstadt geht es hier sehr gemächlich zu. Die junge Szene scheint hier recht lebendig zu sein, habe ich den Eindruck. Doch diesen Eindruck nachzuprüfen, dazu bleibt mir keine Zeit, denn morgen geht es schon nach Pärnu.
Um 14 Uhr gab's Stadtführung, bei der ich auch noch die beiden anderen österreichischen Gastlehrer kennenlernte. Es überraschte mich, wie wenige wir waren, obwohl ich es eigentlich wusste: Stimmt, es waren nur unsere drei Namen auf der Liste.
Die Stadtführung war interessant und nett, Sightseeing halt. Noch interessanter fand ich, was die Führerin zum Thema Russen in Estland zu sagen hatte. Dass es ja nette und intelligente Russen gäbe. Dass es auch solche gäbe, die auch nach 30 Jahren in Estland kaum mehr als Guten Tag und auf Wiedersehen auf Estnisch sagen konnten. Die kein Interesse an der estnischen Kultur zeigten. Dass man friedlich nebeneinander lebte. Dass Russen lieber keinen estnischen Pass nehmen, weil sie dann ein Visum brauchten um nach Russland zu gehen. Dass sie aber auch nicht nach Russland gehen wollten, weil der Lebensstandard in Estland höher sei.
Letzteres macht mich nachdenklich. Denn während meiner Vorbereitung für diese Reise habe ich mehrmals gelesen, dass die Russen in Estland höhere Arbeitslosigkeit, Selbstmordrate und Krankheitsrisiken haben. Entweder geht es einem in Russland echt dreckig, oder (was ich für wahrscheinlicher halte) was Touristenführer einem erzählen und was in Reiseführern drinnensteht reicht noch nicht, um sich ein stimmiges Bild von der estnisch-russischen Realität zu machen.
Die Stadtführerin sprach auch über ihre Erfahrungen als Deutschlehrerin mit der E-Kool. Als elektronisches Klassenbuch ganz praktisch, sagt sie, mit dem Noteneintragen ergeben sich aber Probleme. Denn sobald sie die Noten einer Klasse eingetragen hat, sodass sie für die Eltern sichtbar sind, geht ihr E-Mail-Postfach über. Ihre Emailadresse steht nämlich genau unter den Noten, und etliche Eltern wollen das dann offenbar schon ein bisschen genauer wissen.
Zum Thema mit den Russen passt auch, dass ich für die Ö-Präsentation ein bisschen recherchiert habe über die Besiedlung Österreichs von der Altsteinzeit bis jetzt. Was ich schon wusste, dass Österreich wechselweise von verschiedensten Völkern besiedelt wurde, wird im Kontrast zu Estland nochmal spannender. Denn die finno-ugrischen Stämme die vor tausenden von Jahren hierherzogen, sind immer noch die Vorfahren der heute hier lebenden Esten. Die Esten wurde zwar immer wieder von anderen Völkern beherrscht (Dänen, Deutsche, Russen), aber es gibt im Prinzip eine Kontinuität von heute bis 3500 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Die Herren kamen und gingen, einzig die versuchte "Russifizierung" während der Sowjetzeit stellt eine größere Immigrationsbewegung nach Estland dar. Und die war sowjet-staatlich gelenkt.
Im Gegenzug dazu Österreich: Von denen die vor uns hier lebten, Alpenslawen, Römer, Kelten bleibt uns kaum mehr als ein paar Ortsnamen, Ruinen und archäologische Funde. Immigration dagegen hat fast immer stattgefunden, bis heute, und war meistens das Ergebnis der Suche einzelner Menschen nach einem besseren Leben.
Ein Thema, das ich im Auge behalten will.
Ach ja, der Aufstieg auf den Turm der Olavskirche ist anstrengend, lohnt sich aber. Wirklich ein tolle Aussicht auf die gesamte Altstadt und den Hafen.
Morgen mehr...
Im Ernst: Für eine Hauptstadt geht es hier sehr gemächlich zu. Die junge Szene scheint hier recht lebendig zu sein, habe ich den Eindruck. Doch diesen Eindruck nachzuprüfen, dazu bleibt mir keine Zeit, denn morgen geht es schon nach Pärnu.
Um 14 Uhr gab's Stadtführung, bei der ich auch noch die beiden anderen österreichischen Gastlehrer kennenlernte. Es überraschte mich, wie wenige wir waren, obwohl ich es eigentlich wusste: Stimmt, es waren nur unsere drei Namen auf der Liste.
Die Stadtführung war interessant und nett, Sightseeing halt. Noch interessanter fand ich, was die Führerin zum Thema Russen in Estland zu sagen hatte. Dass es ja nette und intelligente Russen gäbe. Dass es auch solche gäbe, die auch nach 30 Jahren in Estland kaum mehr als Guten Tag und auf Wiedersehen auf Estnisch sagen konnten. Die kein Interesse an der estnischen Kultur zeigten. Dass man friedlich nebeneinander lebte. Dass Russen lieber keinen estnischen Pass nehmen, weil sie dann ein Visum brauchten um nach Russland zu gehen. Dass sie aber auch nicht nach Russland gehen wollten, weil der Lebensstandard in Estland höher sei.
Letzteres macht mich nachdenklich. Denn während meiner Vorbereitung für diese Reise habe ich mehrmals gelesen, dass die Russen in Estland höhere Arbeitslosigkeit, Selbstmordrate und Krankheitsrisiken haben. Entweder geht es einem in Russland echt dreckig, oder (was ich für wahrscheinlicher halte) was Touristenführer einem erzählen und was in Reiseführern drinnensteht reicht noch nicht, um sich ein stimmiges Bild von der estnisch-russischen Realität zu machen.
Die Stadtführerin sprach auch über ihre Erfahrungen als Deutschlehrerin mit der E-Kool. Als elektronisches Klassenbuch ganz praktisch, sagt sie, mit dem Noteneintragen ergeben sich aber Probleme. Denn sobald sie die Noten einer Klasse eingetragen hat, sodass sie für die Eltern sichtbar sind, geht ihr E-Mail-Postfach über. Ihre Emailadresse steht nämlich genau unter den Noten, und etliche Eltern wollen das dann offenbar schon ein bisschen genauer wissen.
Zum Thema mit den Russen passt auch, dass ich für die Ö-Präsentation ein bisschen recherchiert habe über die Besiedlung Österreichs von der Altsteinzeit bis jetzt. Was ich schon wusste, dass Österreich wechselweise von verschiedensten Völkern besiedelt wurde, wird im Kontrast zu Estland nochmal spannender. Denn die finno-ugrischen Stämme die vor tausenden von Jahren hierherzogen, sind immer noch die Vorfahren der heute hier lebenden Esten. Die Esten wurde zwar immer wieder von anderen Völkern beherrscht (Dänen, Deutsche, Russen), aber es gibt im Prinzip eine Kontinuität von heute bis 3500 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Die Herren kamen und gingen, einzig die versuchte "Russifizierung" während der Sowjetzeit stellt eine größere Immigrationsbewegung nach Estland dar. Und die war sowjet-staatlich gelenkt.
Im Gegenzug dazu Österreich: Von denen die vor uns hier lebten, Alpenslawen, Römer, Kelten bleibt uns kaum mehr als ein paar Ortsnamen, Ruinen und archäologische Funde. Immigration dagegen hat fast immer stattgefunden, bis heute, und war meistens das Ergebnis der Suche einzelner Menschen nach einem besseren Leben.
Ein Thema, das ich im Auge behalten will.
Ach ja, der Aufstieg auf den Turm der Olavskirche ist anstrengend, lohnt sich aber. Wirklich ein tolle Aussicht auf die gesamte Altstadt und den Hafen.
Morgen mehr...
stouff - 18. Sep, 22:02